Eine neue Studie zu Gewalt am Arbeitsplatz von Forschern der RWTH Aachen untersuchte die Exposition bei insgesamt 34 Berufs- bzw. Tätigkeitsgruppen. Die Forscher wollten herauszufinden, welche Berufsgruppen besonders häufig mit Aggression und Gewalt konfrontiert werden – und welche Beschäftigten am meisten unter diesen Erfahrungen leiden. Dabei traten zunächst widersprüchlich erscheinende Ergebnisse zutage, die sich jedoch bei genauerer Betrachtung erklären lassen.

Gewalt als zunehmender Belastungsfaktor am Arbeitsplatz
Neben bekannten Stressfaktoren wie Zeitdruck, hoher Arbeitsbelastung und Überforderung spielt Gewalt am Arbeitsplatz eine wachsende Rolle im Bereich des Arbeitsschutzes. Doch wie häufig erleben Beschäftigte tatsächlich Aggression oder Gewalt in ihrem Berufsalltag? Und in welchem Zusammenhang steht dies mit ihrem Wohlbefinden? Ein Forschungsteam des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der RWTH Aachen ging diesen Fragen in einer aktuellen Studie nach.
Umfangreiche Datenauswertung aus Unternehmen
Die Studie basiert auf Daten aus Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen, die in 21 Unternehmen durchgeführt wurden. Insgesamt flossen die Angaben von 4534 Beschäftigten aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern in die Analyse ein. Dabei wurde die Gewaltbelastung über ein spezielles Zusatzmodul im Erhebungsbogen erfasst, während das subjektive Wohlbefinden mithilfe des WHO-5 Index gemessen wurde.
Deutliche Unterschiede zwischen Berufsgruppen
Die Ergebnisse zeigen große Unterschiede bei der Gewaltbelastung zwischen den Tätigkeitsfeldern. Besonders betroffen sind Beschäftigte in der Polizei sowie in Pflegeberufen. Die höchsten Durchschnittswerte für erlebte Gewalt wurden bei nicht-akademischen Pflegekräften sowie Hebammen (1,00) und Polizisten (0,99) festgestellt. Deutlich weniger betroffen sind hingegen akademische Fachkräfte in Vertrieb und Marketing sowie technische Berufe, die mit einem Mittelwert von 0,12 die niedrigsten Werte aufwiesen.
Überraschende Erkenntnisse zum Leidensdruck
Interessanterweise gaben die am stärksten exponierten Berufsgruppen nicht unbedingt an, besonders unter der erlebten Gewalt zu leiden. Vielmehr waren es Beschäftigte aus akademischen ärztlichen Berufen sowie aus nicht-akademischen Dienstleistungsberufen, die eine erhebliche Beeinträchtigung ihres psychischen Wohlbefindens durch Gewalterfahrungen meldeten.
Die Erklärung der Forschenden: In Berufen mit hoher Gewaltbelastung wie Pflege oder Polizei sind Mitarbeitende oft besser auf solche Situationen vorbereitet – sowohl mental als auch durch spezifische Schulungen. Für Beschäftigte, die selten mit Gewalt konfrontiert werden, stellt eine solche Erfahrung hingegen eine unerwartete Belastung dar, die schwerer zu verarbeiten ist und das Wohlbefinden stärker beeinträchtigt.
Fazit: Umgang mit Gewalt erfordert gezielte Unterstützung
Die Studie verdeutlicht, dass Gewalt am Arbeitsplatz nicht nur eine Frage der Häufigkeit ist, sondern auch davon abhängt, wie gut Beschäftigte auf solche Situationen vorbereitet sind. Während Berufe mit hoher Gewaltbelastung bereits Maßnahmen zur Bewältigung etabliert haben, benötigen insbesondere Berufsgruppen, die seltener mit Gewalt konfrontiert sind, gezielte Unterstützung, um mit solchen Erfahrungen besser umgehen zu können.